Kernfragen dieser Lehreinheit
- Wie wird multiple Regression in
R
umgesetzt? - Was bedeuten die Regressionsgewichte und der Determinationskoeffizient inhaltlich?
- Wie kann der Mehrwert von zusätzlichen Prädiktoren untersucht werden?
- Welche Annahmen werden in der Regression gemacht?
- Wie können z.B. die Homoskedastizität und die Normalverteilung der Residuen geprüft werden?
Vorbereitende Schritte
Den Datensatz fb23
haben wir bereits über diesen Link heruntergeladen und können ihn über den lokalen Speicherort einladen oder Sie können Ihn direkt mittels des folgenden Befehls aus dem Internet in das Environment bekommen. Im letzten Tutorial und den dazugehörigen Aufgaben haben wir bereits Änderungen am Datensatz durchgeführt, die hier nochmal aufgeführt sind, um den Datensatz auf dem aktuellen Stand zu haben:
#### Was bisher geschah: ----
# Daten laden
load(url('https://pandar.netlify.app/daten/fb23.rda'))
# Nominalskalierte Variablen in Faktoren verwandeln
fb23$hand_factor <- factor(fb23$hand,
levels = 1:2,
labels = c("links", "rechts"))
fb23$fach <- factor(fb23$fach,
levels = 1:5,
labels = c('Allgemeine', 'Biologische', 'Entwicklung', 'Klinische', 'Diag./Meth.'))
fb23$ziel <- factor(fb23$ziel,
levels = 1:4,
labels = c("Wirtschaft", "Therapie", "Forschung", "Andere"))
fb23$wohnen <- factor(fb23$wohnen,
levels = 1:4,
labels = c("WG", "bei Eltern", "alleine", "sonstiges"))
fb23$fach_klin <- factor(as.numeric(fb23$fach == "Klinische"),
levels = 0:1,
labels = c("nicht klinisch", "klinisch"))
fb23$ort <- factor(fb23$ort, levels=c(1,2), labels=c("FFM", "anderer"))
fb23$job <- factor(fb23$job, levels=c(1,2), labels=c("nein", "ja"))
# Rekodierung invertierter Items
fb23$mdbf4_pre_r <- -1 * (fb23$mdbf4_pre - 4 - 1)
fb23$mdbf11_pre_r <- -1 * (fb23$mdbf11_pre - 4 - 1)
fb23$mdbf3_pre_r <- -1 * (fb23$mdbf3_pre - 4 - 1)
fb23$mdbf9_pre_r <- -1 * (fb23$mdbf9_pre - 4 - 1)
fb23$mdbf5_pre_r <- -1 * (fb23$mdbf5_pre - 4 - 1)
fb23$mdbf7_pre_r <- -1 * (fb23$mdbf7_pre - 4 - 1)
# Berechnung von Skalenwerten
fb23$wm_pre <- fb23[, c('mdbf1_pre', 'mdbf5_pre_r',
'mdbf7_pre_r', 'mdbf10_pre')] |> rowMeans()
fb23$gs_pre <- fb23[, c('mdbf1_pre', 'mdbf4_pre_r',
'mdbf8_pre', 'mdbf11_pre_r')] |> rowMeans()
fb23$ru_pre <- fb23[, c("mdbf3_pre_r", "mdbf6_pre",
"mdbf9_pre_r", "mdbf12_pre")] |> rowMeans()
# z-Standardisierung
fb23$ru_pre_zstd <- scale(fb23$ru_pre, center = TRUE, scale = TRUE)
Einfache lineare Regression
Im letzten Beitrag haben wir uns die einfache lineare Regression angesehen. Konkret ging es dabei darum, dass wir eine abhängige Variable (AV) durch genau eine unabhängige Variable vorhergesagt haben. Oder als Gleichung ausgedrückt:
$$ y_m = b_0 + b_1 x_m + e_m $$
Im Datensatz fb23
haben wir so die Nerdiness (nerd
) durch die Extraversion (extra
) vorhergesagt - die Annahme war dabei, dass Personen, die introvertierter sind (also geringere Werte auf der Extraversionsskala aufweisen) sich auch Hobbies gesucht haben, die typischerweise als “nerdig” gelten. In R
haben wir den lm
-Befehl genutzt, um diese Hypothese auch einer Prüfung zu unterziehen.
# Einfache Regression
mod1 <- lm(nerd ~ 1 + extra, data = fb23)
# Ergebnisse
summary(mod1)
##
## Call:
## lm(formula = nerd ~ 1 + extra, data = fb23)
##
## Residuals:
## Min 1Q Median 3Q Max
## -1.81716 -0.42232 -0.00171 0.41996 1.91102
##
## Coefficients:
## Estimate Std. Error t value Pr(>|t|)
## (Intercept) 3.71988 0.16923 21.981 <2e-16 ***
## extra -0.21030 0.04991 -4.214 4e-05 ***
## ---
## Signif. codes: 0 '***' 0.001 '**' 0.01 '*' 0.05 '.' 0.1 ' ' 1
##
## Residual standard error: 0.6033 on 177 degrees of freedom
## Multiple R-squared: 0.09116, Adjusted R-squared: 0.08603
## F-statistic: 17.75 on 1 and 177 DF, p-value: 3.999e-05
Bei dieser Regression haben wir gesehen, dass die Extraversion ein bedeutsamer Prädiktor für die Nerdiness ist. Dabei geht mit einem Unterschied von einer Einheit in der Extraversion ein Unterschied von -0.21 Einheiten in der Nerdiness einher. Der Determinationskoeffizient beträgt 0.09, was bedeutet, dass 9.12% der Varianz in der Nerdiness durch die Extraversion erklärt werden. Wie wir auch schon gesehen hatten, entspricht dies der quadrierten Korrelation zwischen Extraversion und Nerdiness und die Tests beider gegen 0 sind äquivalent:
cor.test(fb23$nerd, fb23$extra)
##
## Pearson's product-moment correlation
##
## data: fb23$nerd and fb23$extra
## t = -4.2136, df = 177, p-value = 3.999e-05
## alternative hypothesis: true correlation is not equal to 0
## 95 percent confidence interval:
## -0.4295781 -0.1624514
## sample estimates:
## cor
## -0.3019295
Multiple Regression
In diesem Beitrag geht es uns jetzt darum, diese Idee auf mehrere unabhängige Variablen zu erweitern. Das bedeutet, dass wir eine abhängige Variable durch mehrere unabhängige Variablen vorhersagen. Oder als Gleichung ausgedrückt:
$$ y_m = b_0 + b_1 x_{1m} + b_2 x_{2m} + \ldots + b_k x_{km} + e_m $$
$K$ entspricht dabei der Anzahl der Prädiktoren, die wir in das Modell aufgenommen haben. Neben der Extraversion gehören noch die Veträglichkeit (vertr
), die Gewissenhaftigkeit (gewis
), der Neurotizismus (neuro
) und die Offenheit für neue Erfahrungen (offen
) zu den Big Five Persönlichkeitsmerkmalen, die wir in der Umfage zu Beginn des Semesters mit dem BFI-10 erhoben hatten. Wir können also ein Modell aufstellen, in dem wir die Nerdiness durch all diese Persönlichkeitsmerkmale vorhersagen.
# Multiple Regression
mod2 <- lm(nerd ~ 1 + extra + vertr + gewis + neuro + offen,
data = fb23)
# Ergebnisse
summary(mod2)
##
## Call:
## lm(formula = nerd ~ 1 + extra + vertr + gewis + neuro + offen,
## data = fb23)
##
## Residuals:
## Min 1Q Median 3Q Max
## -1.4827 -0.3857 0.0222 0.3568 2.0074
##
## Coefficients:
## Estimate Std. Error t value Pr(>|t|)
## (Intercept) 3.3889360 0.3953802 8.571 5.70e-15 ***
## extra -0.2393615 0.0525092 -4.558 9.75e-06 ***
## vertr -0.0641129 0.0542856 -1.181 0.239221
## gewis -0.0006628 0.0573961 -0.012 0.990800
## neuro -0.0160517 0.0485448 -0.331 0.741306
## offen 0.1880898 0.0481470 3.907 0.000134 ***
## ---
## Signif. codes: 0 '***' 0.001 '**' 0.01 '*' 0.05 '.' 0.1 ' ' 1
##
## Residual standard error: 0.5818 on 172 degrees of freedom
## (1 observation deleted due to missingness)
## Multiple R-squared: 0.1784, Adjusted R-squared: 0.1545
## F-statistic: 7.467 on 5 and 172 DF, p-value: 2.298e-06
Interpretation der Gewichte
In der einfachen linearen Regression hatten wir gesagt, dass $b_1$ dem vorhergesagten Unterschied zwischen zwei Personen entspricht, die sich um eine Einheit in der unabhängigen Variable unterscheiden. Diese Interpretation lässt allerdings außer Acht, dass sich diese beiden Personen auch in anderen Eigenschaften unterscheiden können. Zum Beispiel unterscheiden sich diese beiden (fiktiven) Leute auch um ca. 0.39 Einheiten im Neurotizismus (extravertiertere Personen sind dabei weniger neurotisch). In der einfachen linearen Regression bleibt also unklar, ob der vorhergesagte Unterschied zwischen den Personen auch wirklich auf Unterschiede in unserem Prädiktor zurückzuführen ist, oder ob es auch an anderen, nicht berücksichtigten Eigenschaften liegen könnte.
In der multiplen Regression versuchen wir die Variablen aufzunehmen, die relevant sein könnten. Dadurch verändert sich auch die Interpretation des Regressionsgewichts: $b_1$ gibt jetzt den vorhergesagten Unterschied zwischen zwei Personen an, die sich um eine Einheit in der Extraversion unterscheiden, aber in allen anderen Prädiktoren gleich sind. Wir haben - so die häufig genutzte Ausdrucksweise - auf die anderen Big Five Merkmale “kontrolliert”.
Im Scatterplot wird dieser Unterschied deutlich:
# Gewichte aus der multiple Regression
b0 <- coef(mod2)[1]
b1 <- coef(mod2)[2]
# Scatterplot
plot(fb23$nerd ~ fb23$extra,
xlab = "Extraversion",
ylab = "Nerdiness")
# Ergebnis der einfachen Regression
abline(mod1, col = "blue")
# Ergebnis der multiplen Regression
abline(a = b0, b = b1, col = "orange")
# Legende
legend("topright", legend = c("Einfache Reg.", "Multiple Reg."), col = c("blue", "orange"), lty = 1)
Der erste Unterschied, der zwischen den beiden Regressiongeraden auffällt ist, dass sie versetzt sind - also nicht beim gleichen Wert die y-Achse schneiden. Das liegt daran, dass nicht nur die Regressionsgewichte ihre Bedeutung verändern, sondern auch der Achsenabschnitt. Dieser ist jetzt der vorhergesagte Wert für die Nerdiness, wenn alle Prädiktoren 0 sind:
$$ \widehat{y} = b_0 + b_1 \cdot 0 + b_2 \cdot 0 + b_3 \cdot 0 + b_4 \cdot 0 + b_5 \cdot 0 = b_0 $$
Wenn wir z.B. sehen wollen, wie sich die Extraversion auf die Nerdiness bei Personen auswirkt, die in ihren sonstigen Eigenschaften eher durchschnittlich sind, können wir einfach statt 0 die entsprechenden Mittelwerte in die Gleichung einsetzen. Mit unseren Kenntnissen über Matrixalgebra können wir das Ganze sogar relativ kurz halten:
# Achsenabschnitt bestimmen
X <- matrix(c(1, 0,
mean(fb23$vertr, na.rm = TRUE),
mean(fb23$gewis, na.rm = TRUE),
mean(fb23$neuro, na.rm = TRUE),
mean(fb23$offen, na.rm = TRUE)))
a <- coef(mod2) %*% X
abline(a = a, b = b1, col = "darkgreen")
Der zweite Unterschied zwischen dieser neuen Linie (in Grün) und der Linie aus der einfachen linearen Regression (in Blau) zwigt, dass sie sich leicht im Steigungskoeffizienten unterscheiden. Das liegt eben genau daran, dass das Gewicht jetzt Unterschiede zwischen zwei Personen sind, die sich nur in der Extraversion unterscheiden, aber sonst in allen (berücksichtigten) Belangen gleich sind.
Die anderen Gewichte können wir analog interpretieren:
summary(mod2)$coefficients
## Estimate Std. Error t value Pr(>|t|)
## (Intercept) 3.3889359846 0.39538022 8.57133417 5.698412e-15
## extra -0.2393614506 0.05250921 -4.55846589 9.745133e-06
## vertr -0.0641129128 0.05428556 -1.18103075 2.392210e-01
## gewis -0.0006627829 0.05739608 -0.01154753 9.908000e-01
## neuro -0.0160516733 0.04854476 -0.33065721 7.413059e-01
## offen 0.1880898093 0.04814698 3.90657524 1.343549e-04
Dabei sehen wir, dass nur die Extraversion und die Offenheit für neue Erfahrungen bedeutsame Prädiktoren für die Nerdiness sind. Das bedeutet, dass nur diese beiden bedeutsamen einzigartigen Beitrag zur Vorhersage der Nerdiness leisten können. Zwei Personen, die sich z.B. in der Gewissenhaftigkeit um eine Einheit unterscheiden, aber hinsichtlich der anderen vier Dimensionen gleich sind, unterscheiden sich fast überhaupt nicht hinsichtlich der vorhergesagten Nerdiness.
Determinationskoeffizient
Um das Konzept des “einzigartigen Beitrags” noch einmal genauer zu beleuchten, nehmen kramen wir ein paar gute alte Venn-Diagramme aus der Schublade.
Hier sind erst einmal drei Variablen (unsere AV nerd
und die beiden UVs extra
undoffen
) dargestellt. Die Schnittmenge zwischen extra
und nerd
ist dabei z.B. das Ausmaß an Überlappung zwischen den beiden. Konzeptuell entspricht diese Schnittmenge die Varianz dar, die zwischen den beiden geteilt wird. Die hatten wir in der einfachen linearen Regression schon bestimmt:
summary(mod1)$r.squared
## [1] 0.09116145
Das Problem ist, dass wir dabei die gesamte Schnittmenge zwischen den beiden Variablen betrachen:
Ein Teil dieser Schnittmenge wird aber auch mit Offenheit für neue Erfahrungen geteilt. Für diesen Abschnitt wissen wir nicht, ob es Extraversion oder Offenheit ist, die Unterschiede in Nerdiness bedingen. Schlimmer noch: wenn wir eine zweite einfache lineare Regression machen, wird dieser Abschnitt erneut “gezählt” - wir finden also den gleichen Effekt (zumindest in Teilen) doppelt:
Um das zu umgehen nutzen wir die multiple Regression um einfach die gesamte Fläche von nerd
zu bestimmen, die durch mindestens einen unserer Prädiktoren abgedeckt (also “aufgeklärt”) wird:
In der summary
von mod2
hatten wir gesehen, wie groß dieser Anteil ist:
summary(mod2)$r.squared
## [1] 0.1783535
Im Fall dieses Modells sind es nicht nur zwei, sondern insgesamt fünf Prädiktoren, was das Venn-Diagramm allerdings ein wenig unübersichtlich machen würde. Die Gesamtheit der aufgeklärten Varianz (also der Anteil der Varianz in der AV, den unsere UVs insgesamt aufklären können) wird in der summary
mittels $F$-Test geprüft:
## [...]
## Multiple R-squared: 0.1784, Adjusted R-squared: 0.1545
## F-statistic: 7.467 on 5 and 172 DF, p-value: 2.298e-06
Wie wir anhand der Formel dieses Tests erkennen können, wird hier das Verhältnis von aufgeklärter zu nicht aufgeklärter Varianz geprüft:
$$ F = \frac{n - k - 1}{k} \cdot \frac{R^2}{1 - R^2} $$
Die Zählerfreiheitsgrade numdf
sind dabei ungünstigerweise $k$ und die Nennerfreiheitsgrade dendf
sind $n - k - 1$ - also genau das Gegenteil von dem, was aufrgund dieser Formel für $F$ zu erwarten gewesen wäre.
Modellvergleiche
Neben den Tests der einzelnen Regressionsgewichte und dem Test des gesamten $R^2$ können wir auch spezifische Modell mit einander vergleichen. Dabei muss ein Modell immer eine eingeschränkte Fassung ($e$) eines anderen Modells ($u$) sein. Die beiden Modelle, die wir schon gesehen haben stehen in genau so einer Relation: die einfache lineare Regression mit Extraversion als Prädiktor (mod1
) ist eine eingeschränkte Version der multiplen Regression, in der wir alle Big Five Merkmale als Prädiktoren aufgenommen hatten (mod2
), weil es eine Teilmenge der Prädiktoren enthält.
In solchen Fällen können wir über den Vergleich von $R^2_e$ und $R^2_u$ untersuchen, welchen Zugewinn in der Vorhersagekraft die zusätzlichen Prädiktoren so mitbringen. Rein numerisch:
# R2 durch Extraversion
R2e <- summary(mod1)$r.squared
# R2 durch alle Big Five
R2u <- summary(mod2)$r.squared
R2e
## [1] 0.09116145
R2u
## [1] 0.1783535
# Inkrementelles R2 der vier anderen
R2u - R2e
## [1] 0.08719205
In diesem Inkrement wird der Teil der Varianz dargestellt, den die anderen vier Big Five Merkmale zusätzlich zur Extraversion aufklären können. Dabei ist es wichtig zu bedenken, dass der Anteil der durch Gemeinsamkeiten zwischen Extraversion und den anderen vier Merkmalen aufgeklärt wird, im ersten Schritt nur der Extraversion zugute geschrieben wurde (das zweite Venn-Diagramm). Dieses Inkrement können wir natürlich aus testen:
# Test des inkrementellen R2
anova(mod1, mod2)
## Error in anova.lmlist(object, ...): models were not all fitted to the same size of dataset
Den hier auftretenden Fehler behandeln wir nun in einem Intermezzo zur Datenaufbereitung.
Intermezzo: Datenaufbereitung
Der von der anova
-Funktion ausgegebene Fehler zeigt, dass wir Modelle nur dann vergleichen können, wenn diese auf den gleichen Daten basieren. Das ist in unserem Fall nicht gegeben, weil es Personen gab, die zwar für Extraversion und Nerdiness Beobachtungen hatten, für mindestens eine der anderen vier Dimensionen aber nicht. Im Beitrag zu Zusammenhangsmaßen hatten wir den Unterschied zwischen paarweisem und listenweisem Fallausschluss schon detaillierter Besprochen. Im Fall mehrerer Regressionsmodelle müssen wir also vorab sicherstellen, dass wir adäquaten listenweisen Fallausschlus betreiben, wenn wir die Modelle direkt vergleichen wollen:
mr_dat <- na.omit(fb23[, c("nerd", "extra", "vertr", "gewis", "neuro", "offen")])
Wenn wir in R
Modelle aktualisieren wollen, können wir mit update
arbeiten, statt die gesamte Syntax erneut eingeben zu müssen:
# Modell 1, updated
mod1_new <- update(mod1, data = mr_dat)
# Modell 2, updated
mod2_new <- update(mod2, data = mr_dat)
Modellvergleiche, Teil 2
Mit den Modellen, die auf die neuen Modelle angewendet wurden können wir jetzt den Vergleich erneut probieren:
# Test des inkrementellen R2
anova(mod1_new, mod2_new)
## Analysis of Variance Table
##
## Model 1: nerd ~ 1 + extra
## Model 2: nerd ~ 1 + extra + vertr + gewis + neuro + offen
## Res.Df RSS Df Sum of Sq F Pr(>F)
## 1 176 64.427
## 2 172 58.216 4 6.2105 4.5872 0.001521 **
## ---
## Signif. codes: 0 '***' 0.001 '**' 0.01 '*' 0.05 '.' 0.1 ' ' 1
Die Ergebnistabelle gibt uns verschiedene Informationen. Zunächst wird uns noch einmal gesagt, welche Modelle wir hier eigentlich vergleichen. Die Ergebnistabelle besteht dann aus folgenden Informationen:
Res.Df
: Die Residualfreiheitsgrade ($n-k-1$)RSS
: Die Quadratsumme der Residuen ( Residual Sum of Squares )Df
: Der Unterschied in den Freiheitsgraden zwischen den beiden Modellen ($k_u - k_e$), hier 4, weil wir vier zusätzliche Prädiktor aufgenommen habenSum of Sq
: Die Quadratsumme der Residuen, die durch die zusätzlichen Prädiktoren aufgeklärt wirdF
: Der $F$-WertPr(>F)
: Der p-Wert des $F$-Tests
In diesem Fall ist der Modellvergleich statistisch bedeutsam, was bedeutet, dass die zusätzlichen Prädiktoren in der multiplen Regression einen statistisch relevanten Anteil der Varianz der Nerdiness aufklären können.
Wenn wir für spezifische (Gruppen von) Prädiktoren wissen wollen, wie viel einzigartigen Beitrag sie in der Vorhersage unserer AV haben, können wir dieses Vorgehen nutzen, um die Anteile zu isolieren. Zum Beispiel, wenn wir den Anteil identifizieren wollen, den Extraversion aufklärt, der nicht auch durch andere Big Five Persönlichkeitsmerkmale aufgeklärt wird, können wir ein Modell aufstellen, in dem wir alle anderen Prädiktoren als eingeschränkte Version des Modells aufnehmen:
# Modell 3
mod3 <- lm(nerd ~ 1 + vertr + gewis + neuro + offen, data = mr_dat)
# Test des inkrementellen R2
anova(mod3, mod2_new)
## Analysis of Variance Table
##
## Model 1: nerd ~ 1 + vertr + gewis + neuro + offen
## Model 2: nerd ~ 1 + extra + vertr + gewis + neuro + offen
## Res.Df RSS Df Sum of Sq F Pr(>F)
## 1 173 65.250
## 2 172 58.216 1 7.0332 20.78 9.745e-06 ***
## ---
## Signif. codes: 0 '***' 0.001 '**' 0.01 '*' 0.05 '.' 0.1 ' ' 1
# Inkrementelles R2
summary(mod2_new)$r.squared - summary(mod3)$r.squared
## [1] 0.09926451
Als Venn-Diagramm ausgedrückt, prüfen wir so den hier hell markierten Abschnitt gegen 0 (nur, dass Sie sich die anderen drei Prädiktoren dazu denken müssen):
Das Ergebnis zeigt, dass Extraversion einen statistisch relevanten Anteil der Varianz in der Nerdiness aufklären kann, der nicht auch durch die anderen Big Five Persönlichkeitsmerkmale aufgeklärt wird. Nicht nur das, sondern der einzigartige Beitrag von Extraverision ist sogar größer als der ursprüngliche, unkorrigierte Anteil:
summary(mod1_new)$r.squared
## [1] 0.09070062
Der Einfluss der Extraversion wurde also durch die anderen Big Five Dimensionen leicht suprimiert. Zu verschiendenen Formen der Suppression finden Sie im Lerhbuch von Eid, Gollwitzer und Schmitt (2015, Kapitel 19.8) eine detaillierte Informationen.
Voraussetzungen der multiplen Regression
In besagtem Lehrbuch finden Sie auf S.720 auch eine Übersicht über die fünf zentralen Voraussetzungen der multiplen Regression (diese gelten in etwas simplerer Form auch für die einfache lineare Regression). Diese sind:
- Korrekte Spezifikation des Modells
- Messfehlerfreiheit der unabhängigen Variablen
- Unabhängigkeit der Residuen
- Homoskedastizität der Residuen
- Normalverteilung der Residuen
In diesem Beitrag gucken wir uns im Folgenden noch grob an, wie man diese Voraussetzungen prüfen kann. In den meisten Fällen ist das “was mache ich, wenn die Voraussetzungen nicht erfüllt sind?” aber eine Frage mit relativ komplexen Antworten, die wir im Verlauf der (hoffentlich vielen!) weiteren Statistik Module Schritt für Schritt beantworten werden. An manchen Stellen werden wir also auf den einen oder anderen Beitrag verweisen, aber Details sprengen den Rahmen dieses, sowieso schon viel zu langen Beitrags.
Korrekte Spezifikation des Modells
Die korrekte Spezifikation ist eine sehr vielseitige Voraussetzung, die eher konzeptueller und weniger statischer Natur ist. Generell wird davon ausgegangen, dass in unserem Regressionmodell alle relevanten Prädiktoren aufgenommen wurden und dass die funktionale Form des Zusammenhangs korrekt abgebildet ist. Im Normalfall gehen wir zunächst von linearität aus (auch wenn wir in Statistik II noch andere Formen untersuchen und testen werden). Im Beitrag zur einfachen linearen Regression hatten wir schon mit Scatterplots und LOESS-Linien geguckt, inwiefern diese Annahme realistisch ist:
plot(mr_dat$nerd ~ mr_dat$extra,
xlab = "Extraversion",
ylab = "Nerdiness")
lines(lowess(mr_dat$extra, mr_dat$nerd), col = "red")
abline(mod1_new, col = "blue")
Das können wir natürlich auch für die anderen vier Prädiktoren untersuchen:
Über diese Annahme der Linearität hinaus, nehmen wir z.B. auch an, dass der Zusammenhang zwischen Extraversion und Nerdiness über alle Ausprägungen des Neurotizismus hinweg gleich ist. Sollte dem nicht so sein, würden wir von moderierter Regression sprechen.
Am schwierigsten ist es, festzustellen, ob alle relevanten Prädiktoren aufgenommen wurden. In der Praxis ist das oft ein iterativer Prozess, bei dem sowohl theoriegeleitet als auch automatisiert vorgegangen werden kann. Auch das sehen wir in Statistik II noch genauer.
Messfehlerfreiheit der unabhängigen Variablen
Generell wird bei der Regression davon ausgegangen, dass die unabhängigen Variablen ohne Fehler gemessen wurden. Gerade in der Psychologie ist das aber meistens eine außerordentlich unrealistische Annahme. Durch die Verletzung dieser Annahme wird der Zusammenhang zwischen zwei Variablen systematisch unterschätzt, sodass die Regressionsgewichte und Korrelationen, die wir finden, kleiner erscheinen, als sie sind. In der abhängigen Variable ist das meist weniger dramatisch, weil Messfehler im Residuum landen, aber weil die unabhängigen Variablem im Rahmen der Regression nicht in verschiedene Varianzkomponenten unterteilt werden, wird davon ausgegangen, dass die Varianz, die wir zur Verfügung haben, potentiell auch in der Lage ist die abhängige Variable aufzuklären.
In der Praxis wird eine Einschätzung bezüglich des Ausmaß des Messfehlers durch Reliabilitätsmaße wie McDonalds Omega oder Cronbachs Alpha vorgenommen. Mehr dazu erfahren Sie z.B. in der Lehre zu Diagnostik - ein paar Schritte in R finden Sie aber auch direkt in diesem Beitrag beschrieben.
Unabhängigkeit der Residuen
Wie auch bei vielen anderen inferenzstatistischen Verfahren, die wir schon besprochen hatten, ist bei der Regression eine Voraussetzung, dass die Beobachtungen voneinander unabhängig sind. Spezifischer gesagt, sollen die Beobachtungen über die Variablen, die wir berücksichtigen hinaus unabhängig voneinander sein (also die Residuen). Wie schon bei den t-Tests gesehen, ist auch das häufig eine Annahme, die sich nicht ausschließlich statistisch prüfen lässt, sondern durch das Studiendesign und die Art der Datenerhebung beeinflusst wird. Generell wird bei der Bestimmung von Standardfehlern davon ausgegangen, dass alle Werte die Ausprägungen von Zufallsvariablen sind. Wenn dieser Zufallsprozess aber systematische Verzerrungen enthält (z.B. dadurch, dass wir die gleichen Personen mehrmals erhoben haben), wird das Ausmaß der Unterschiede zwischen Personen unterschätzt. Die Standardabweichung des Merkmals in der Population war z.B. beim $t$-Test direkt in die Berechnung des Standardfehlers eingegangen, was verdeutlichen sollte, warum eine Verschätzung dieser Unterschiede sich in Verzerrung der Standardfehler und somit auch der $p$-Werte niederschlägt.
Häufig kommt es in der Psychologie zur Verletzung dieser Annahme, wenn wir Gruppen von Personen erheben (z.B. Schüler:innen in Schulklassen, Patient:innen in Kliniken, usw.). Wenn wir die Quelle der Abhängigkeit aufgrund unseres Studiendesigns identifizieren können, können wir sog. Mehrebenenmodelle nutzen. Eine Einführung in die Grundideen und Umsetzungen, finden Sie z.B. in den Beiträgen aus dem KliPPs und dem Psychologie Master.
Homoskedastizität der Residuen
Beim $t$-Test hatten wir angenommen, dass die Varianz in allen Gruppen gleich ist, um die Standardfehler zu berechnen. In der multiple Regression ist die Definition von “Gruppe” etwas schwammig, weil theoretisch jede mögliche Kombination von Ausprägungen der unabhängigen Variablen eine “Gruppe” darstellt. Weil die Kombinationen von unabhängigen Variablen in der Regression durch die Regressionsgleichung in vorhergesagte Werte übersetzt werden, nehmen wir also an, dass die Varianz der der Werte um die vorhergesagten Werte herum konstant ist. Oder anders ausgedrückt: wir nehmen an, dass die Varianz der Residuen vor alle Werte von $\widehat{y}$ die gleiche ist.
Theoretisch könnten wir das mit einem Streupunktdiagramm der Residuen gegen die vorhergesagten Werte sehen:
pred <- predict(mod2_new)
res <- resid(mod2_new)
plot(pred, res,
xlab = "Vorhergesagte Werte",
ylab = "Residuen")
Dabei müssten die Residuen für alle Werte der x-Achse gleichmäßig entlang der y-Achse streuen. Leider ist das etwas schwer einzuschätzen, weil nicht alle Wertekombinationen gleich häufig vorkommen und somit bestimmte Regionen des Plots weniger dicht besiedelt sind, wodurch es so wirken kann, als sei dort die Varianz niedriger. Um uns das Vorgehen etwas zu vereinfachen gibt es zwei Möglichkeiten: die Darstellung der Wurzel der standardisierten Residuen in Abhängigkeit von den vorhergesagten Werten und den Breusch-Pagan Test. Ersteres wird direkt ohne Zusatzpaket in R
zur Verfügung gestellt:
plot(mod2_new, which = 3)
R
liefert für jedes Regressionmodell vier diagnostische Plots, um die Qualität des Modells zu beurteilen. Der dritte dieser Plots ist es, der für uns hier von Interesse ist. Wenn die Varianz der Residuen konstant ist, sollten die Wurzel der standardisierten Residuen in Abhängigkeit von den vorhergesagten Werten keine systematischen Muster aufweisen und die eingezeichnete Linie sollte relativ horizontal verlaufen.
Weil es immer schwer ist, solche Plots ohne Gegenbeispiele zu interpretieren, hier ein Beispiel, in dem man nicht von Homoskedastizität sprechen würde:
mod4 <- lm(lz ~ 1 + extra, fb23)
plot(mod4, which = 3)
Hier gibt es einen relativ deutlichen Trend zur Abnahme der Varianz mit steigenden vorhergesagten Werten.
Über die visuelle Inspektion hinaus haben wir auch noch die Möglichkeit, die Homoskedastizität der Residuen mit dem Breusch-Pagan Test zu prüfen. Dieser ist im car
-Paket implementiert:
car::ncvTest(mod2_new)
## Non-constant Variance Score Test
## Variance formula: ~ fitted.values
## Chisquare = 0.005041522, Df = 1, p = 0.94339
Und hier direkt noch das eben aufgeführte Gegenbeispiel:
car::ncvTest(mod4)
## Non-constant Variance Score Test
## Variance formula: ~ fitted.values
## Chisquare = 13.39568, Df = 1, p = 0.0002522
Wie bei allen Voraussetzungstests, wird hier die Nullhypothese geprüft, dass die Annahme hält. Bedeutsame Ergebnisse zeigen also eine deutliche Verletzung der Annahme an. An dieser Stelle sei noch einmal deutlich darauf hingewiesen, dass nicht-bedeutsame Ergebnisse nicht bedeuten, dass die Annahme erfüllt ist. Insbesondere durch das klassische Nullhypothesentesten, was in diesem Fall betrieben wird, ist die Prüfung der Annahmen als eher wenig streng anzusehen.
Normalverteilung der Residuen
Die letzte Voraussetzung haben wir bei anderen Tests schon des Öfteren geprüft. Wie auch bei $t$-Tests und der Korrelation können wir für die Prüfung der Normalveteilung der Residuen den QQ-Plot nutzen. Damit wir direkt eine Idee davon haben, wie stark die Abweichung von der Diagonale ausfällt, können wir den qqPlot
aus dem car
-Paket nutzen:
car::qqPlot(mod2_new)
## 26 75
## 25 73
Auch den Shapiro-Wilk-Test haben wir schon in anderen Beiträgen genutzt:
shapiro.test(resid(mod2_new))
##
## Shapiro-Wilk normality test
##
## data: resid(mod2_new)
## W = 0.99455, p-value = 0.7598
Beide deuten darauf hin, dass wir in diesem Fall nicht von einer Verletzung der Annahme ausgehen müssen.
In Fällen, in denen wir leichte Verletzungen von der Normalverteilungsannahme feststellen, können wir verschiedene Wege nutzen, um unsere Schätzer ein wenig robuster zu machen. In Fällen, in denen wir von vornherein davon ausgehen müssen, dass die Residuen gar nicht normalverteilt sein können (z.B. weil die abhängige Variable nur zwei Ausprägungen hat), können wir andere Verteilungen annehmen. Ein klassisches Beispiel dafür ist die logistische Regression, welche in den beiden Masterstudiengängen noch einmal aufgegriffen werden wird.
Abschluss
Wie in den letzten Abschnitten zu den Voraussetzungen deutlich geworden ist, gibt es für die multiple Regression diverse Erweiterungsmöglichkeiten. Es ist von Vorteil sich ein mal intensiv mit den Grundideen der multiple Regression auseinanderzusetzen, weil viele moderne Auswertungsverfahren letztlich genau solche Erweiterungen sind. Dabei ist egal ob logistische Regression, Mehrebenenmodelle, Strukturgleichungsmodell oder moderne Machine Learning Verfahren - die Grundideen und die Interpretation der Parameter ähneln sich doch sehr.
Literatur
Eid, M., Gollwitzer, M., & Schmitt, M. (2015). Statistik und Forschungsmethoden (4., überarbeitete Auflage). Springer